Am 18. Mai 1848 trat in der Frankfurter Paulskirche die Deutsche Nationalversammlung zusammen – das erste gesamtdeutsche Parlament. „Es war ein wunderbarer Frühling. Und das begriffen die Menschen 1848 längst nicht nur meteorologisch. Es war ein politischer, ein gesellschaftlicher Frühling, eine Zeit der großen Hoffnungen und Erwartungen, vor allem aber auch ein begeisterter Aufbruch. Ein Aufbruch, in dem fast täglich Neues gedacht, gesagt, gewünscht, gefordert und versucht wurde“, fasste Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier die damalige Situation zusammen.[1] Der 175. Jahrestag dieser die Ereignisse krönenden Nationalversammlung wurde in Frankfurt am Main vom 18. bis zum 21. Mai 2023 mit einem umfangreichen Festprogramm gefeiert. An vier Tagen fanden etwa eine Viertelmillion Menschen den Weg auf das Festgelände, das sich vor allem auf die Paulskirche, den Römerberg und deren Umgebung konzentrierte. In der Stadt warteten knapp 160 Projekte und Veranstaltungsformate auf die Besuchenden. Diese reichten von Ausstellungen über Vortrags-, Informations- und Diskussionsangebote bis hin zu kulturellen und künstlerischen Darbietungen und Vermittlungsformaten.
Das Jubiläum wurde am 18. Mai mit einem Festakt in der Paulskirche eröffnet, dem auch zahlreiche Vertreterinnen und Vertreter des Bundes, des Landes Hessen, der Stadt Frankfurt sowie weitere Ehrengäste beiwohnten. Bundespräsident Steinmeier betonte in seiner Festrede die Bedeutung der Demokratiegeschichte: „[…] die Geschichte unserer Demokratie ist keine gradlinige Erfolgsgeschichte. Ihre Schattenseiten verdrängen wir nicht und dürfen es nicht tun. Aber wir erinnern uns auch an gute Zeiten und mutige Vorbilder; heute an die Revolutionäre von 1848 und die Abgeordneten der ersten deutschen Nationalversammlung.“ Der Kampf um die Verwirklichung der Ideen der Menschen von 1848 habe lange gedauert – nichtsdestotrotz sei die Arbeit dieser mutigen und „von besten Motiven beseelten Menschen“ ein „unersetzlicher Schritt“ auf dem Weg zur freiheitlichen Demokratie unseres vereinigten Deutschlands gewesen. Heinrich von Gagern, Gabriel Riesser, Arnold Rude oder Robert Blum – der Bundespräsident würdigte die Protagonisten jener Zeit als Pioniere und Wegbereiter dessen, was für uns heute selbstverständlich sei. Revolution und erwachender Parlamentarismus würden dabei konsequent mit der Paulskirche als Ort verbunden und heute Teil unseres kollektiven Gedächtnisses. „1848/49 waren schwierige Lehrjahre der Demokratie“, dennoch sei der politische Frühling 1848 als „regelrechter Völkerfrühling“ zu bezeichnen – und die Paulskirche ein elementarer Bestandteil dessen! Eine bundesstaatliche Verfassung, demokratische Spielregeln, Grundrechte: all dies verdeutliche die Wirkungsgeschichte der Paulskirche und ihrer Verfassung, deren Bestandteile neben den Farben Schwarz-Rot-Gold auch in der Weimarer und der heutigen bundesdeutschen Verfassung Raum fänden. Steinmeier formulierte zudem seinen Wunsch für die Zukunft dieses Erinnerungsortes als Ort der Auseinandersetzung um Fragen der Gegenwart und Zukunft, indem er sagte: „Ich wünsche mir, dass dieser Ort, die Paulskirche, noch stärker als bisher zu einem lebendigen Erinnerungs- und Lernort für die Demokratie wird.“
Neben weiteren Festrednerinnen und Festrednern sprach auch der hessische Ministerpräsident Boris Rhein. Er erinnerte vor dem Hintergrund der kulturellen Vielfalt Deutschlands, dass unsere Werte für viele Menschen purer Luxus seien. Daraus resultiere für uns alle die Aufgabe, diese Werte immer wieder erneut mit Inhalt zu füllen und zur Diskussion zu stellen. Zahlreiche Medien übertrugen die Veranstaltung live und griffen sie in ihren Nachrichtenmeldungen auf. Die GEDG war gleich mit mehreren Veranstaltungspunkten vor Ort vertreten: Der Bereich Verfassungsstädte organisierte die Unterzeichnung der Erklärung des Netzwerks Verfassungsstädte Frankfurt am Main – Weimar – Bonn, darüber hinaus fand eine Podiumsveranstaltung in Kooperation mit der Frankfurter St. Paulsgemeinde zum Thema „Verfassungsräume. Wo sich Demokratie ein Gerüst gibt“ statt; der Bereich Frühgeschichte stellte seine Wanderausstellung „Auf dem Weg zur modernen Demokratie – Die deutschen Freiheitsbewegungen von der Französischen Revolution bis zur Mitte des 19. Jahrhunderts“ gleich zweifach aus; der Bereich Orte der Demokratiegeschichte verlieh der Paulskirche die Plakette „Ort der Demokratiegeschichte“. Vor allem die Unterzeichnung der gemeinsamen Erklärung des Netzwerks Verfassungsstädte sorgte auch bundesweit für mediale Aufmerksamkeit.
Foto: Bundespräsident Steinmeier hält die Festrede anlässlich des 175. Jubiläums der ersten deutschen Nationalversammlung in der Paulskirche, 18. Mai 2023 (T. Lohnes/Bundesbildstelle)
[1] Die Festrede des Bundespräsidenten ist abrufbar unter www.bundespraesident.de [z.a. 10.7.2023].
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